Markttrend: Langsam wachsende Rassen und die Auswirkungen auf die Effizienz

Sektor
27 August 2020

Einige Geflügelbetriebe haben auf langsam wachsende Masthähnchen umgestellt. Warum? Wird die ganze Branche nachziehen? Frank Hartmann hat den Trend analysiert und fasst die Ergebnisse zusammen.

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Dank der Premiummarke „Bell & Evans“ erlebt das Brathähnchen in den USA ein Comeback. Auf der Website des Unternehmens wirbt ein appetitlicher Gourmet-Hähnchenburger für die Qualität der hergestellten Bioprodukte. Das Familienunternehmen will sich mit seinem antibiotikafreien Fleisch der langsam wachsenden Rasse „Klassenbester“ eine Nische im Markt erobern. Und das scheint ihm zu gelingen.

In den USA steigt der Pro-Kopf-Verbrauch von Hühnerfleisch von Jahr zu Jahr. Der Grund dafür liegt auf der Hand: In Doppelverdiener-Haushalten bleibt nur wenig Zeit zum Kochen, sodass Huhn Rindfleisch vorgezogen wird. So lässt sich auch der Anstieg des Verzehrs von Hühnerfleisch in Regionen wie Subsahara-Afrika erklären. Die Menschen ziehen in die Städte, wo sie Arbeit finden. Sie essen unterwegs in Restaurants oder bevorzugen Mahlzeiten, die sich schneller zubereiten lassen.

Das sind zwei Beispiele für die Veränderungen, die den Geflügelsektor in der Zukunft beeinflussen werden. Erstens: die gestiegene Nachfrage nach Qualität und Nachhaltigkeit. Und zweitens: eine zunehmende Vorliebe für Hühnerfleisch, die aus einem neuen Lebensstil und dem Bevölkerungswachstum resultiert. 

In diesem Artikel geht es um die Umstellung auf langsam wachsende Hühnerrassen sowie die Auswirkungen, die sich daraus ergeben. Der Wechsel zu alternativen Rassen hat einen negativen Einfluss auf unseren ökologischen Fußabdruck. Es stellt sich also die Frage, wie wir diese Folgen abmildern können.

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Gestiegene Nachfrage nach Qualität und Nachhaltigkeit

Eine zunehmende Anzahl von Verbrauchern ist bereit, mehr Geld für Fleisch von Tieren auszugeben, die unter besseren Bedingungen gehalten wurden. Der Verkauf von Fleisch, das von Freiland- und Biohühnern stammt, erlebt geradezu einen Boom. Derselbe Trend ist bei Freiland- und Bioeiern zu beobachten. Untersuchungen haben gezeigt, dass der Verbrauch von tierischen Produkten steigt, obwohl die Zahl der Vegetarier und Veganer in der westlichen Welt zunimmt. Es ist eindeutig eine Verbrauchernachfrage vorhanden. Die Umstellung auf neue Produktionsmethoden sollte jedoch nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Sie erfordert Investitionen und einen gut durchdachten Business-Plan.

Unternehmen setzen Änderungen um

Einem Familienbetrieb wie Bell & Evans fallen Veränderungen in der Regel leichter als großen multinationalen Unternehmen wie Tyson Foods. Scott Jr. Sechler, VP von Bell & Evans, erklärt die Gründe für den neuen Kurs: „Futterverwertung kümmert uns nicht mehr. Schnelles Wachstum ist nicht mehr unser Ziel. In der gesamten amerikanischen Hühnerindustrie geht es nur noch um Effizienz. Qualität scheint keine Rolle mehr zu spielen.“ Ende 2017 beschloss er daher, sich auf Qualität statt auf Quantität zu konzentrieren. Das Unternehmen stellte an allen seinen Produktionsstandorten auf eine langsam wachsende Hühnerrasse um.

75 Millionen Dollar wurden u. a. in neue Ställe für Masthähnchen-Elterntiere und Masthähnchen investiert. In Europa kaufte das Unternehmen befruchtete Eier der Rasse „Klassenbester“. Sie ist vergleichbar mit den stärkeren Masthähnchenrassen von vor 15 Jahren. Die Tiere der Rasse „Klassenbester“ erreichen ihr durchschnittliches Endgewicht innerhalb von 47 bis 50 Tagen. Das bedeutet, dass sie etwa 15 % länger brauchen als normale Fleischhühner. Pro Jahr gibt Bell & Evans 14 Millionen Dollar mehr für Futter aus. Allerdings sind die Kosten durch weniger Stress, niedrigere Mortalitätsraten und einen besseren allgemeinen Gesundheitszustand der Tiere in anderen Bereichen gesunken.

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Das Ergebnis ist Qualitätsfleisch mit Geschmack. Es stammt aus biologischer Produktion und tierfreundlicher Haltung, ist frei von Antibiotika und wird luftgekühlt. Das Fleisch wird in den Läden als Premiumprodukt zu einem höheren Preis angeboten. 30 % bis 40 % des Umsatzes wird mit dem Verkauf ganzer Masthähnchen erzielt. Das Fleisch dieser Marke wird zur Zubereitung besonders wohlschmeckender Gerichte verwendet. 

Allerdings greifen immer noch viele Verbraucher in der USA zu billigeren, traditionelleren Hühnerprodukten. Aus diesem Grund gestaltet sich eine solche Umstellung für ein multinationales Unternehmen wie Tyson Foods schwieriger. Es gibt immer noch sehr viele Verbraucher, für die vor allem der Preis zählt. Allerdings rücken gesundheitliche Bedenken und der Tierschutzaspekt in den USA zunehmend in den Fokus. Und zwar so sehr, dass Perdue Foods mittlerweile völlig auf Antibiotika verzichtet und sein Sortiment diversifiziert hat. Das Unternehmen hat in seinen Ställen Fenster und Türen eingebaut, um durch Tageslicht einen natürlichen Biorhythmus zu fördern.

Fast-Food-Ketten wie KFC können den Markt ebenfalls entscheidend beeinflussen. In Europa unterzeichnete KFC das „European Chicken Commitment“. Bis 2026 müssen die Lieferanten den Tieren mehr Platz in den Ställen zur Verfügung stellen. Ziel ist eine maximale Besatzdichte von 30 kg/m². Die Ställe müssen auf eine Anreicherung (Enrichment) der Tierumgebung ausgerichtet sein. Außerdem wechseln die Züchter zu langsamer wachsenden Rassen, die gesünder sind.

Einfluss von Lobbygruppen und Regierungen

Auch Lobbygruppen und Regierungen können den Umstieg auf langsam wachsende Rassen fördern. Genau das geschieht gerade in den Niederlanden. 2016 haben einige Supermarktketten den Verkauf von sogenannten Plofkippen verboten. Damit reagierten sie auf den Druck einer Tierrechtsorganisation. Unter „Plofkippen“ werden Hühner verstanden, die ihr Endgewicht bereits nach sechs Wochen erreichen. Die umfangreiche Medienberichterstattung hielt niederländische Verbraucher davon ab, billiges Hühnerfleisch zu kaufen. 2017 ging der Verkauf von billigem Hühnerfleisch von 60 % auf 5 % zurück. Heute besteht die Fleischhühnerpopulation in den Niederlanden zu 40 % aus langsam wachsenden Rassen

Die niederländische Regierung will Alternativen fördern, aber die Geflügelunternehmen wollen auch Gewinn machen. Man muss das richtige Gleichgewicht zwischen höheren Preisen in den Geschäften und einer ausreichenden Nachfrage der Verbraucher finden. Die Subventionen, mit denen der Staat Geflügelzüchter unterstützt, um sie zur Umstellung auf alternative Rassen zu ermutigen, sind ebenfalls von entscheidender Bedeutung. Die Investitionen, die der Sektor tätigen muss, sind schließlich nicht zu unterschätzen. Darüber hinaus müssen die Verbraucher bereit sein, diese Alternativen auch weiterhin zu kaufen. Nur dann werden sich die langsam wachsenden Rassen auch tatsächlich durchsetzen.

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Langsam wachsende Tiere und die Umwelt

Wenn sich die Entwicklung hin zu langsam wachsenden Rassen fortsetzt, gerät auch der Umweltaspekt immer mehr in den Fokus. Das liegt daran, dass mehr langsam wachsende Hühner gezüchtet werden müssen, um die gleiche Menge Fleisch zu produzieren. Wenn beispielsweise ein Drittel der Fleischhühner in den USA durch langsam wachsende Rassen ersetzt wird, bedeutet das:

  • Es werden mehr Tiere benötigt (1,5 Milliarden). 
  • Es ist zusätzliche landwirtschaftliche Nutzfläche für den Anbau von Futter erforderlich (7,6 Millionen Acres). 
  • Es wird mehr Wasser benötigt (3,8 Milliarden Liter).
  • Und es fällt mehr zu verarbeitender Kot an (25,4 metrische Tonnen). 

Es ist also nicht nur die Rendite geringer, sondern auch die Auswirkungen auf die Umwelt sind größer. 

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Intelligente Automatisierung zur Steigerung der Effizienz

Bei langsam wachsenden Hühnern lässt sich mit den Tieren selbst kein Effizienzgewinn erzielen. Für mehr Effizienz muss vielmehr das Management des Zuchtbetriebs weiter verbessert werden. Neue, intelligente Technologien können eine Lösung für das Effizienzproblem bieten. Entscheidend für den Erfolg sind Daten. Sie müssen erfasst und verarbeitet werden, um wichtige Erkenntnisse zu gewinnen, die wiederum fundiertere Entscheidungen ermöglichen – sowohl in den einzelnen Zuchtbetrieben als auch in der gesamten geflügelverarbeitenden Industrie. Aus diesem Grund kann die nächste Phase der Umstellung nicht mehr fern sein.

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